„Wenn nichts mehr geht, dann geh!“ Dieses Motto so mancher Pilger und Wallfahrer gilt auch für viele Menschen, die sich einzeln oder in Gruppen auf den Weg nach Maria Eich machen. Sie beten vor dem Gnadenbild in der Kapelle, vor der Mutter Gottes in der Wallfahrtskirche oder am Freialtar. Sie zünden Kerzen an und schreiben ihre Anliegen und alles, was sie im Innersten bewegt, in ein Buch oder auf kleine Zettelchen, die sogenannten „Eichen-Blätter“, und heften sie an die Wände rund um die Eiche. Maria Eich ist aber nicht nur ein Zufluchtsort für Hilfesuchende. Es ist auch ein Ort der Besinnung und Geborgenheit, wo Menschen einfach da sein können, ganz bei sich selbst und vor Gott, auf den Bänken um den Freialtar, in der Kapelle oder der Kirche verweilen und zur Ruhe kommen, innerlich berührt und dankbar für ein stilles Glück. Und auch wer einfach die Sonne genießen oder bei meditativer Musik die Seele baumeln lassen will, der ist in Maria Eich auch am richtigen Ort.
Wer von der S-Bahn-Station Planegg vor den Toren Münchens in Richtung Maria Eich geht, der gelangt schon nach wenigen Schritten auf eine weite Lichtung inmitten eines Waldes mit uralten Eichen. Am Ende der Lichtung wird bald Maria Eich sichtbar: die Kapelle mit dem Freialtar, die Kirche und das Kloster der Augustiner, harmonisch eingebettet in die Schönheit der Natur.
Die Wallfahrt geht auf die Geschichte von der Eiche zurück, deren Stamm bis heute erhalten ist. Um das Jahr 1712 stellten zwei Schmiedsbuben aus Planegg im Wald eine kleine Marienfigur mit dem Jesuskind in den Hohlraum dieser Eiche. Daraufhin beteten Menschen davor und wurden in ihren Anliegen erhört. Schon bald wurde eine kleine Holzkapelle bei der Eiche gebaut. 1805 schlug während eines starken Unwetters ein Blitz in die Eiche ein und zerstörte die Baumkrone, trotzdem blieb der Zustrom der Menschen ungebrochen. Der Stamm der Eiche ist heute auf der Rückseite des Hochaltars der Gnadenkapelle hinter Glas zu sehen. Die schlichte Marienfigur der beiden Bauernbuben steht heute, in einen Prunkmantel gehüllt, im Hochaltar der Gnadenkapelle auf der anderen Seite der Eiche.
An den Wänden rund um den Eichenstamm hängen die zahlreichen Zettelchen, auf die Menschen alles, was sie bewegt und umtreibt, geschrieben haben. Um Platz für neue zu schaffen, müssen sie mehrmals im Jahr abgenommen werden. Sie werden aufgehoben und im Osterfeuer verbrannt. Es ist ein Ort, an dem sich das Leben der Menschen zeigt, wie es ist, mit all seinen Höhen und Tiefen. Diese Eiche hat Maria Eich seinen Namen gegeben.
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Im Vorraum der Eiche ist eine Jahreskrippe zu sehen, in der während des Kirchenjahres die jeweiligen liturgischen Feste dargestellt werden. Außerhalb der Festzeiten wird dort die Geschichte von Maria Eich bildlich nachgestellt.
Besonders für Kinder sind die beiden Jesuskinder links und rechts von der Krippe, die für 10 Cent mit der Weltkugel in der Hand bei Glockengeläut aus einem kleinen Kirchlein zum Segnen herauskommen, ein beeindruckendes Erlebnis. Manchen prägt es sich so tief ein, dass sie auch in fortgeschrittenem Alter noch gerne dorthin zurückkehren und sich dankbar daran erinnern.
Der immer größer werdende Zustrom der Menschen zur Maria mit dem Jesuskind in der Eiche führte dazu, dass 1732 zunächst eine kleine Kapelle aus Holz und schon bald darauf 1746 eine größere aus Stein um die Eiche herum gebaut wurde, und zwar so, dass die Baumkrone aus dem Dach der Kapelle herausragte – zu sehen in der Jahreskrippe außerhalb der liturgischen Feste. Als dann 1805 ein Blitz in die Eiche einschlug und die Baumkrone zerstörte, wurde der bis dahin offene Turm mit einem Dach über dem Stamm geschlossen. Dieser Eichenstamm steht heute noch auf der Rückseite des Hochaltars der Gnadenkapelle.
Die heutige Gnadenkapelle stammt aus der Zeit des Spätbarocks. Den in die Kapelle eintretenden Besucher begrüßt in der halbrunden Chorwand mit dem Hochaltar das Gnadenbild von Maria Eich, eine in einen Barockmantel gehüllte tiaragekrönte Muttergottesfigur mit dem ebenfalls gekrönten Jesuskind, von alters her liebevoll als das „Frauerl von der Aichen“ verehrt.
Ohne diese Ausschmückung ist es eine einfache aus Terracotta gefertigte Figur aus der Tradition der Loretto-Statuen, der sogenannten „Schwarzen Madonnen“. 1768 wurde die ursprünglich schlichte, künstlerisch nicht besonders wertvolle Figur dann mit einem Prunkmantel von Gold und Edelsteinen umhüllt und erhielt einen Ehrenplatz im Zentrum des Hochaltars der spätbarocken Kapelle. Seitdem sind nur die kleinen, fast unscheinbaren Gesichter von Mutter und Kind zu sehen. Der sie umschwebende goldene Strahlenkranz und die beiden nachträglich aufgesetzten dreifachen Kronen verleihen der ursprünglichen Schlichtheit einen würdevollen Glanz. Bis heute steht sie, fast schwebend, oben im Hochaltar vor dem dahinter stehenden Eichenstamm.
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An den Wänden der Gnadenkapelle hängt eine Vielzahl von Votivtafeln, die Menschen zum Dank für die Erhörung ihrer Anliegen anbringen ließen.
Vor der Gnadenkapelle wurde bereits 1780 ein Freialtar errichtet, so dass bei schönem Wetter die Gottesdienste auch im Freien gefeiert werden können. Die umstehenden, allesamt gestifteten Bänke bieten heute etwa 750 Gottesdienstbesuchern Platz.
Für die auf die Gnadenkapelle zugehenden Besucher fällt der Blick schon von weitem auf die Muttergottesstatue mit dem Jesuskind über dem Freialtar. Mit einem weiten Mantelkleid vor einem blauen Sternenzelt sitzend schaut sie mit gütigen Augen auf die Menschen, die vor ihr in den Bänken in friedlicher Stille verweilen und im Gebet ihr Leben und das ihrer Lieben unter ihren Schutz stellen.
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Zwischen dem Freialtar und dem Kreuz auf dem Wallfahrtsplatz besteht die Möglichkeit, Opferkerzen anzuzünden. Ein Dank, eine Bitte für sich oder die Lieben – vieles kann mit diesem schlichten Symbol und ohne große Worte zum Ausdruck kommen, und viele nutzen diese Möglichkeit. Und wenn es dunkelt, dann erstrahlt der Kerzentisch in einem warmen Licht und der „Himmel“ darüber leuchtet in goldenem Widerschein wie die Zusage göttlichen Trostes. Auch die Stabkerzen, die in der Gnadenkapelle am Altar und in den Kaminen rechts und links des Altarraumes brennen, werden von Besuchern von Maria Eich gestiftet. Sie können diese Kerzen im Wallfahrtsladen erwerben und dann unter den Kerzenkaminen ablegen. Der Mesner steckt diese Kerzen dann in der kommenden Zeit auf und entzündet sie für die Spender.
Die 1958 erbaute und 1967 erweiterte Wallfahrtskirche wurde 2007 bis 2008 grundlegend saniert und neu gestaltet. Sie beeindruckt durch ihre Helligkeit und Klarheit und strahlt trotz oder gerade wegen ihrer Einfachheit und Schlichtheit eine wohltuende Harmonie und Würde aus.
Alles in ihr zentriert sich auf ihre geistliche Mitte, die Altarinsel mit dem Buntglasfenster, davor die Muttergottesstatue und der Tabernakel, über ihr die „Himmelsleiter“ mit dem von oben her einfallenden Licht.
Das Buntglasfenster hinter dem Altar von Professor Johannes Schreiter, einem der renommiertesten zeitgenössischen Glaskünstler, zeichnet symbolisch in drei Abschnitten, der „Geburtsseite“ links hinter der Gottesmutter, dem Todes- und Auferstehungsgeschehen in der Mitte und der „Pfingstseite“ rechts hinter dem Tabernakel, Themen aus dem Heilsgeschehen in Jesus Christus nach.
Auf der „Geburtsseite“ kommt der Heilige Geist in einem Lichtstrahl seitlich von oben in diese Welt hinein und erfüllt Maria durch seine schöpferische Kraft mit göttlichem Leben. Das Geschehen um die Menschwerdung Jesu wird fortgesetzt im Bild vom jungen Spross aus dem Wurzelstock Isais, das die Geburt Jesu schon in langer Vorzeit ankündigt.
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In der Mitte des Bildes wird das Todes- und Auferstehungsgeschehen Jesu nachempfunden. Die große graue Fläche zentral hinter dem Altar, die den Vorhang im Tempel darstellt, wird wie von einem grellen Blitz von oben bis unten durchrissen. Das mächtige dunkle Wundmal hinter dem Ambo bündelt das ganze Leid der Welt und verweist auf den Kreuzestod Jesu. Doch bei aller Finsternis des Todes schimmert in hellen Gelbtönen auch schon das Licht der Auferstehung und des Lebens zaghaft hindurch.
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Auf der rechten Seite, der „Pfingstseite“, führt der Heilige Geist sein lebendiges Wirken in der Welt, das er auf der „Geburtsseite“ begonnen hat, weiter und belebt und erneuert sie in den von Pfingsten ausschwebenden Feuerzungen kraftvoll und mit feuriger Lebensglut ständig durch sein lebendiges Wehen.Dieses Geschehen findet seinen Ort hinter dem Tabernakel, wo Christus durch die verwandelnde Kraft eben dieses Geistes im heiligen Brot mit seiner ganzen Lebenskraft unter uns gegenwärtig ist.
Vor dem Buntglasfenster sitzt, harmonisch in die Altarkomposition eingefügt, auf einem Steinblock eine Marienstatue mit einem goldenen Kind auf dem Schoß. Die Bildhauerin Carola Heine fertigte diese nahezu lebensgroße Muttergottes aus Zirbelholz, naturbelassen, ohne farbige Fassung, nicht in prunkvolle Gewänder gehüllt und ohne Insignien der Macht, sondern als ganz gewöhnliche, junge und zeitlos schöne Frau. In ihrer einfachen und natürlichen Art unterscheidet sie sich von den herkömmlichen, meist prunkvollen Mariendarstellungen früherer Zeiten. Sie ist eher dem heutigen Frauenbild nachempfunden, ohne dabei den Schönheitsidealen unserer Zeit zu folgen. Die gelassene Schönheit dieser Marienfigur kommt ganz von innen. In ihrer geraden, aufrechten, offenen Haltung strahlt sie eine innere Ruhe aus. Gerade wegen dieser Natürlichkeit kommen die Menschen gerne zu ihr. Sie können sich in ihr wiederfinden und bei ihr zur Ruhe kommen.
Den Wallfahrerweg entlang, der von Gräfelfing her durch den Wald nach Maria Eich führt, stellen Kreuzwegstationen den Leidensweg Jesu vor Augen. Sie zeigen die Solidarität Gottes mit den Menschen gerade in Situationen, in denen das Leben schwer auf den Schultern lastet. Der Kreuzweg beginnt gut zehn Gehminuten von Maria Eich entfernt auf der Höhe von Gräfelfing, er endet vor der Gnadenkapelle mit einer zusätzlichen 15. Station, die die Auferstehung Jesu darstellt. So soll deutlich werden: Auch in unserem Leben werden Tod und Leid nicht das letzte Wort haben.
Zu einer echten Attraktion ist das im August 2016 eröffnete „Seelengärtlein“ geworden, ein sogenannter Klanggarten, der zu Ruhe und Besinnung einlädt. Auf einer von Büschen und Sträuchern eingezäunten Grünfläche können die Besucher auf Gartenliegen der aus zwei Klangquellen ertönenden meditativen Musik lauschen, still werden, innerlich zur Ruhe kommen und gleichsam „den Atem ihrer Seele spüren“, wie es auf den Begrüßungstafeln heißt. Sie sind eingeladen, einfach da zu sein, ganz im Augenblick, im Schweigen und Hören Herz und Ohren zu öffnen, beim Eintauchen in die Klänge der Musik, beim Lauschen auf die Stimmen der Natur und beim Horchen auf ihre innere Stimme wieder mehr bei sich selbst zu sein.
So ist Maria Eich ein Ort der Erholung und Besinnung sowie der inneren Einkehr und des Verweilens auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott. Dieser Gnadenort ist für viele Menschen eine Kraftquelle abseits der vielfältigen äußeren Einflüsse des täglichen Lebens. Hier können sie zu ihrer inneren Mitte finden und Kraft für den oftmals stressbehafteten Alltag schöpfen. Hier können sie ganz da, ganz sie selbst sein und alles mitbringen, was sie bewegt und was ihnen auf dem Herzen liegt, und es unter den Schutz Marias und unter den Segen Gottes stellen.
Maria Eich kann zwar im Vergleich zu anderen bayerischen Wallfahrtsorten nur auf eine relativ kurze Tradition zurückblicken. Dennoch erfreut sich dieser Wallfahrtsort einer bis in die Gegenwart ungebrochenen Volkstümlichkeit. Bis heute hat sich Maria Eich den Charakter eines stillen Gnadenortes bewahrt. Auch an Wochentage finden sich den ganzen Tag über Beter vor dem Gnadenbild ein. Das Fehlen von Biergärten und Restaurants in unmittelbarer Nähe macht Maria Eich zu einem heute nur noch selten anzutreffenden Ort der Stille und des Gebetes.